beat - me - mich

workshops

Text, Video und Videostills von Meret Bhend

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Rund um die Geschichte des Lovemobiles sind in 14 Workshops mit den Protagonistinnen, Musiker*innen und Künstler*innen Ideen für Musik, Texte und Szenen entstanden, die die Mensch-Maschinen-Hybridität und ihre ambivalente Wahrnehmung in der Gesellschaft verhandeln. Verschiedene Personen haben in unterschiedlichsten Themenfeldern Übungen oder Grundsatzdiskussionen vorgeschlagen, aus denen dann Bruchstücke des Musiktheaters entstanden. Amir gab uns Einblicke in die Welt des Techno und mit Lara durften wir unseren Körper durch Mikrophone und Rückkopplung als Instrument erfahren.  Durch ausprobieren und testen flossen Bewegungen in Choreografien und die alltäglichen Klänge der Rollstühle fanden sich in Musik wieder. Das symbiotische Zusammenspiel der Atemgeräte und deren Benützer führten uns zu neuen Rhythmen des Sprechens und der darin beinhalteten Pausen.  Texte wie ein «Manifest für Cyborgs» oder «Bateau ivre» haben uns dabei unterstützt unsere eigene Position zu überdenken und die Frage danach zu stellen, aus welchen Abhängigkeiten  wir eigentlich bestehen. Für die Protagonisten wird der Rollstuhl und das Atemgerät ein Teil ihres Körpers, wie auch die Betreuenden, die die Hand richten zu einem Teil im Ablauf ihres Alltags wird.

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Den ersten Workshop haben wir mit Fragen und Erwartungen an das Projekt begonnen. In der Diskussion kreisten wir ein, dass die Behinderung nicht im Vordergrund stehen soll, sondern das Thema Maschine/Mensch und die Gefahren und Chancen dieses Hybrids. Es soll nicht heissen «oh jö; diese herzigen Behinderten» sondern «Wow diese Menschen können trotz ihrer Behinderung super spielen.» Trotzdem soll die ägliche alltDiskirminierung im Theater thematisiert werden. Wie kann man den Fussgänger einen Spiegel vorhalten, ohne dabei zum Moralapostel zu werden? Auch wurde diskutiert, wie Musik und Story verbunden werden können. Weiter kristallisierten sich der Wunsch nach einer konkreten Geschichte, die zwar mehrere Stränge und ein offenes Ende haben kann, heraus.

Dieser Workshop begann mit einer Einführung in die elektronische Musik von Amir. Er erklärte uns dabei die Merkmale verschieden Stile wie Detroit Techno, Techono aus Berlin, Minimal und House.

Später standen der Rollstuhl und das Atemgerät und deren Geräusche im Vordergrund. Wann bekommt der Rollstuhl eine kommunikative Funktion und wie? Was macht einen guten Rollstuhl aus? Wie schnell fährt er? Was kann man daran verbessern? Ist das Design eines Rollstuhl auch ästhetisch gedacht oder doch vor allem an der Funktion ausgerichtet? Warum sind die Atemgeräte meistens so konzipiert, das man kaum mit ihnen küssen kann? Aus welchen Gründen arbeitet niemand daran, dies zu verbessern? Später im Workshop spielte Philipp Schlagzeug und die Protagonisten reagierten mit ihren Rollstühlen und Atemgeräten musikalisch darauf und erzählten über den Rollstuhl als Teil ihres Alltags und als Erweiterung ihres Körper.

In dieser Übung haben wir versucht, uns in andere Welten und Körper zu denken.«Es können sehr kleine Berührungen sein, die in uns ganze Wellen von Tieren und anderen Gestalten ausösen.» Und dabei wollen wir genau sein, das wollen wir gemeinsam miteinander herausfinden: Welche Gestalten wir in uns entdecken, was aus unseren Berührungen hervorwächst. Manchmal dürfen und können das sogar peinliche Gestalten, fragwürdige Gestalten sein.

Franz Kafka, seine beiden Hände im Kampf untereinander und mit dem Autor selbst. Arthur Rimbaud, «Das trunkene Schiff» - ein Gedicht erzählt aus der Perspektive eines versinkenden Schiffs – einer Perspektive, die merkwürdigerweise begeistert ist, und zu neuen Verbindungen führt.

Chor

Um das Sprechen und Singen zu üben, haben wir die Wörter langsam oder schnell, laut oder leise, weit weg gerichtet oder ganz nah ausgesprochen. Da das Atemgerät bei einigen Protagonisten vorgibt wie viel Luft durch die Atemwege kommt, ist die Lautstärke schwieriger zu kontrollieren. Mit der Strategie im Rhythmus des Atemgerätes zu sprechen/singen konnten sie den Mechanismus des Atemgerät für ihre Aussprache nutzen statt ihr entgegen zu arbeiten. In Form eines Chores haben wir weiter einen gemeinsamen Stimmteppich gebildet, der in den Übungen zu verschiedenen Ausgestaltungen kam. Zum Besipiel interpretierten Lara und Claudio das symbiotische Verhältnis zwischen Atemgerät und dessen Benutzer*innen musikalisch und der Chor sprach in Talkshow-artiger Aufstellung darüber.

Schauspielübung Easydok

Schauspielübung Gleichstellungsbüro

Immer wieder haben wir in den Workshops Schauspiel-Sessions gemacht. Einerseits mit schon vorhanden Dialogen (Lulzim hat Szenen aus dem Film «Ziemlich beste Freunde» ausgesucht und transkribiert). Andererseits improvisierten die Protagonist*innen Szenen, die sie aus ihrem Alltag kennen oder von schon erlebtem inspiriert sind. Neben den oben zu sehenden Easydok- und der Gleichstellungsbüroszene, gab es eine Szene vor dem Club: Die Türsteherin will sie nicht reinlassen, da sie Rollstuhlfahrer sind, schiebt aber eine Ausrede bezüglich der Sicherheit vor. Eine weitere Szene, die sehr schön Abhängigkeiten unterstreicht: Eine Betreuerin richtet einem Rollstuhfahrer die Hand. Dabei sprechen sie ständig aneinander vorbei und es dauert lange bis die Hand genau in der richtigen Position ist. Beim spielen haben wir auch andere Strategien ausprobiert: Einmal übernahm zum Beispiel jeweils eine Person die Regie für eine Szene und leitete die Figuren im Spiel an. Es gab Verliebte, Lügende, Eifersüchtige, Drogenschmuggler, Grenzwächter und einen Hund. Welchen Spielraum haben Schauspieler mit muskulärer Behinderung? Mit welchen Methoden können sie über ihre Begrenzung hinaus zum Beispiel einen Menschen ohne Behinderung spielen? In den neuen Räumen, wie Chat-rooms oder auch am Telefon, kann unbemerkt bleiben ob jemand eine Behinderung hat oder nicht. Es kann dort im Gespräch also auch eine andere Person gespielt oder imaginiert weden- eine andere Realität behauptet werden, als diejenige in der man «wirklich» lebt. Das betrifft Menschen mit und ohne Behinderung genau gleich. In Filmen oder im Fernweh sind Stimmen oft körperlos vor, als Off- oder Erzählstimmen. Diese Stimmen sind von ihrem Ursprung gelöst.

Es enstanden Choreografien, die sich aus Bewegungen welche aus dem Alltag der Protagonistinnen stammen und tänzerischen Abläufen, zusammensetzen. Wie Kommunzieren wir nonverbal, wenn wir unseren Körper (teilweise) nicht bewegen können? Welche Codes haben sich durch den Rollstuhl in die Körpersprache eingeschrieben?



Amir Gashi und Sebastian Hofmann mit elektronischer Musik und Perkussion dazu Rollstuhlballet

Mit Lara konnten die wir die Klänge, die unsere Bewegungen im Raum durch Feedback erzeugen, hören. Die Körper wurden also zu Instrumenten im Raum. In einer lauten Performance wurden Stühle dann später zum klingenden Gegenstand, die von den Rollstuhlgänger*innen quer durch den Saal gezogen wurden. Einmal mit Sandra als Passagierin, die ein Monolog über die Seen und Berge hielt und dann mit Claudio an der Posaune, der mit dem scheppernden Stuhl um die Wette spielte.